Was hat die Philosophie in der Wirtschaft zu suchen?

Wie aus dem «gut fürs Business» ein «Gutes Business» werden kann

Der Philosoph Adam Smith veröffentlichte vor rund 250 Jahren die «Untersuchung über die Ursachen und Gründe des Wohlstands der Nationen». Das Werk gilt als Grundstein der modernen Wirtschaftswissenschaften. Es ist in bildhafter Sprache geschrieben und unterscheidet sich damit sehr von heutigen ökonomischen Papers, in welchen Formeln und Zahlen die dominante Basis für Argumentationen darstellen. 

Die Verschiebung von qualitativen (wie geartet?, wie gut?) zu quantitativen (wie gross?, wie viel?) Fragestellungen und Argumentationen ist charakteristisch für die Entwicklung der Wirtschaft als eigenständige Disziplin. Diese Emanzipation der Wirtschaft von der Philosophie ist grundsätzlich eine gute Sache. Es ist nicht nötig, dass sich die alte Frage-Disziplin übereifrig in Dinge einmischt, die «nicht ihr Business» sind. Die übereifrige Verselbständigung des zahlenbasierten wirtschaftlichen Denkens hingegen ist keine gute Sache. Dass die emanzipierte Kalkulations-Disziplin ihre geistigen Ursprünge vergisst, ist gar gefährlich.

Insbesondere die Betriebswirtschaftslehre und ihr alltagspraktisches Pendant, die Unternehmensführung, sind dem Wesen nach interdisziplinäre Angelegenheiten. Zu häufig geht aber das Qualitative vergessen. Es reicht nicht, gute Investitionsrechnungen zu erstellen und die Marketing-Aktivitäten mittels Datenanalyse zu optimieren. Bereiche wie Unternehmenskultur, Corporate Social Responsibility oder Öffentlichkeitsarbeit setzen Methoden voraus, die dem Wesen nach nicht zahlenorientiert, sondern qualitativ sind, also auf Fragen nach dem Guten und dem Richtigen abzielen.

Diese Feststellung erhält im Zeitalter der steigenden Datenozean-Spiegel eine besondere Bedeutung. Im zahlen- und datengetriebenen Business kümmern sich ganze Abteilungen um die Erhebung, Strukturierung und Auswertung von Daten. Nur Entscheide, die auf quantifizierten Daten basieren, scheinen gute Entscheide zu sein. Wenn sich das «Big Business» aber nur noch auf «Big Data» abstützt, dann folgt daraus nicht selten ein «Big Fail». Wenn die qualitativen Werte einer Organisation nicht geklärt und glaubhaft vermittelt sind, irren ihre Akteure im Gewimmel unstrukturierter Schlagworte, kurzlebiger Leitbilder oder ethisch heikler Praktiken umher. Eine einseitig zahlengestützte Aktivität hat keinen menschlich und politisch befriedigenden Bestand, früher oder später droht hohe Fluktuation oder ein Image-Problem inklusive Intervention der Politik.

Es wäre zu einfach, «mehr Philosophen an Entscheidpositionen!» zu rufen. Platons Zitat, wonach entweder die Philosophen Könige, oder die Könige Philosophen werden sollten, nährt einen solchen Disziplinen-Dünkel. Es braucht nicht eine grössere Anzahl Philosophen, noch weniger braucht es einen Ethikrat oder eine Ethikkommission in jedem Betrieb. Vielmehr gilt es, alle Entscheidträger, mithin alle Mitarbeitenden, zum Bewusstsein zu führen, dass gute Entscheide nie nur «gut fürs Business» sein dürfen, sondern immer auch im Sinne des wertorientierten «Guten Business» erfolgen müssen. Herausforderungen wie «Big Data» oder evolutive Algorithmik führen uns plastisch vor Augen, dass quantitative Methoden nicht ausreichen. Was gut und was richtig ist, lässt sich nicht aus Daten und Zahlen ablesen.

Entscheidträger, die wirklich als vernünftig gelten, müssen ihre Entscheide also immer quantitativ und qualitativ fundieren. Dies wäre eine Ursache und ein Grund für den Wohlstand von Unternehmen, ja der ganzen Gesellschaft. Vielleicht wäre es gar gut, wenn es in Zukunft weniger Philosophen bräuchte, und sie sich alle, so wie Adam Smith, neuen Disziplinen zuwenden könnten.