Ostern als Obdach für alle

Ausgang aus der selbstverschuldeten metaphysischen Obdachlosigkeit

Woher kommt der Mensch und wohin geht er? Wo ist unsere wirkliche Heimat? Aufs Extreme zugespitzt: Was kommt nach dem Tod? Wer diese Fragen mit naturwissenschaftlichen Methoden angeht, hat sie nicht verstanden (beides: die Fragen, und die Naturwissenschaften). Wir können weder naturwissenschaftlich in Erfahrung bringen, woher wir ursprünglich kommen, noch können wir mit empirischen Methoden vorhersehen, wo wir in Zukunft wohnen werden. Wir wissen häufig nicht einmal, ob wir in uns selber, in unserem Körper und bei unserer Seele, wirklich zu Hause sind und nicht nur Gast auf Zeit.

Viele Menschen haben sich in ihrer hochgeheizten Wohlstandsverwöhnung physisch (also körperlich) wohlig eingerichtet – leben aber «in einer metaphysischen Obdachlosigkeit», wie der Schweizer Philosoph Ludwig Hasler diese Situation treffend benennt. Den Gedanken an den Tod und das Danach haben sie erfolgreich aus Wohnstuben und Denkstübli verdrängt. Diese Menschen leben in einer selbstverschuldeten metaphysischen Obdachlosigkeit und getrauen sich nicht, sich aus ihr herauszuwickeln. Aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Ostern ist ein gesellschaftlicher Aufruf, sich unter ein verlässliches Dach zu begeben. Christlich verstanden ins Haus der Herrn. Philosophisch verstanden ins Haus der Transzendenz oder einer geistlichen Realität. Es wäre schade, wenn im Zuge von Säkularisierungs-Trends und falsch verstandener globalistischer Mischmaschmultikulti-Toleranz Feiertage wie Ostern abgeschafft würden. Denn dies wäre, als ob nicht nur Notschlafstellen und Flüchtlingszelte, sondern als ob gar die Besinnung auf ein Daheimsein an sich abgeschafft würde. Der Mensch hadert ja seit je mit der Wohnlichkeit und dem Zuhausesein auf Erden. Mal wurde er vertrieben, mal zog er aus eigenen Stücken aus, mal wurde der Wohnraum zu gross, mal zu eng oder zu unwirtlich.

Ja, das Leben ist die Suche nach einem echten Daheim. Und Ostern ist Fingerzeig und Weckruf: «Es gibt ein solches Daheim, siehe, Du findest es bei mir.» Dieses Daheim findet sich jenseits aller irdischer Eingänge und Portale. Ostern ist der Wegweiser in dieses jenseitige Heimischsein. Ostern ist ein Aufrichtfest für das Obdach aller Menschen. Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass Jesus Christus – um den es an Ostern ja (auch) geht und dessen Name daher in einem Text zum Anlass des Osterfests nicht fehlen darf – in seinem bürgerlichen Leben ein «Baumeister», «Handwerker» oder «Zimmermann» gewesen ist. (Das im altgriechischen Original der Evangelien τέκτων/tekton lautende Wort ist mehrdeutig.) Einer also, der nicht nur wusste, wie man Menschen ein irdisches Dach über dem Kopf zur Verfügung stellt, sondern ihnen auch ein unbedingtes ewiges Obdach aufzeigen konnte. Ein metaphysisches Obdach eben.

Niemand ist gezwungen, Wohnstätte in dieser ewigen Heimat zu nehmen. Aber alle Menschen sind dazu eingeladen. Dies unterscheidet diese Stätte von sämtlichen weltlichen Angeboten, seien sie von Kirchen, Sozialämtern, Gaststätten etc., welche sich immer wieder einmal das (Un-)Recht herausnehmen, Menschen, die gewisse Kriterien nicht erfüllen, vor der Türe stehen zu lassen.

Die Ostergeschichte ist für mich daher auch eine Geschichte des Willkommen- und Heimischseins. Egal wo ich gerade weile, ich bin dort nur zu Gast auf Zeit. Ich geniesse es zwar sehr, Gast zu sein, aber die wirkliche, ewige Heimat, die finde ich nicht hier auf Erden, sondern nur in einer anderen Realität. An Ostern feiern wir gemeinsam das Aufrichtfest der ewigen Heimstätte, in welcher jedes irdische Ende überwunden ist.